Borjana Ventzislavova.
Und der Himmel klärt sich auf (MAGIC RESISTANCE)
Séamus Kealy
In Borjana Ventzislavova’s Film Und der Himmel klärt sich auf (MAGIC RESISTANCE) üben fünf Protagonistinnen künstlerisch-magische Rituale an geschichtsträchtigen Orten in Wien aus. Mittels unterschiedlicher Verfahren nehmen sie Bezug auf konkrete historische Ereignisse der NS-Vergangenheit und agieren so gegen die in der westlichen Hemisphäre aktuelle rechtspopulistische Stimmung. Der Film versteht sich als visuelles (eventuell überzeichnetes) Plädoyer: in individuellen Zeremonien, die weder dogmatischen Normen noch offiziellen Religionen untergeordnet sind, rufen die Protagonistinnen mit symbolischen und politischen Handlungen zu Heilung, Ermächtigung und Mitgefühl auf.
Der Film wurde ursprünglich 2018 als Teil der Gedenkveranstaltungen zum sogenannten „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich im Jahr 1938 in Auftrag gegeben. Ganz spezifisch entstand der Film als Teil von „Exiled Gaze“ („Exilblick“), einer Projektreihe zum Mexikoplatz. Dieser wurde im Wien der Nachkriegszeit gegründet und nach Mexiko benannt, weil Mexiko 1938 eine einzigartige Intervention versuchte: Es war das einzige Land weltweit, das beim Völkerbund (dem Vorläufer der Vereinten Nationen) gegen die Annexion Österreichs durch die Nazis protestierte. Der Film hat jedoch wenig mit Mexiko selbst zu tun; stattdessen befasst er sich damit, Parallelen zwischen damaligen politischen Verschiebungen und denen der heutigen Zeit aufzuzeigen.
In dem Film sehen wir fünf Frauen, die rituelle Handlungen vollziehen, die alle darauf abzielen, die Geister des Faschismus zu bannen und diejenigen Spuren des Nazismus zu tilgen, die immer noch in Form aktueller populistischer Politik zu finden sind. Es ist kein Geheimnis, dass nicht nur heutige Politiker in Österreich angeblich nationalistischen und „identitären“ Organisationen angehören, sondern dass die Welle der populistischen Politik, die Österreich und Europa in den vergangenen Jahren überrollt hat – und die politischen Grundsatzentscheidungen des gegenwärtigen Regimes – unleugbare Elemente von Ausgrenzung, Rassismus, Migrationsabwehr und nationalistischer Rhetorik enthalten.
Diese fünf Frauen sind also entschlossen, durch kleine rituelle Gesten diese politischen Tendenzen und ihre Folgen zu bekämpfen und auszumerzen. Zunächst sehen wir die Protagonistin Demir dabei, wie sie einen Kreis von Gläsern im Café Kafka in Wien aufstellt und auf ritualistische Art eine weiße Flüssigkeit hineingießt. Später im Film tanzt sie auf dem Balkon der Hofburg (dem ehemaligen Palast des österreichischen Kaiserreichs und gegenwärtig der Wohn- und Arbeitsplatz des Präsidenten der Republik Österreich), wo Hitler 1938 seine berühmte Ansprache an eine riesige, jubelnde Menschenmasse hielt. Demirs Tanz ist ein Akt der Dekontamination, wobei kleine Bewegungen und Gesten, Anklänge an Bauchtanz und ritualistisches Kopfschütteln diverse Formen des Widerstands und der Austreibung ergeben. Diese höchst delikaten und scheinbar uneffektiven Gegenmaßnahmen werden gegen die Kraft des Realpolitik-Spektakels, das sich an genau diesem Ort abgespielt hat, in Stellung gebracht – und ebenso gegen die politischen Strömungen, die man heute mit dem Ort assoziieren mag. Die weiteren Protagonistinnen führen ebenfalls Rituale vor bedeutsamen historischen und gegenwärtigen Wiener Schauplätzen der Politik aus, sei es das Innenministerium (das gegenwärtig von der rechtsextremen FPÖ unter dem höchst umstrittenen Minister Herbert Kickl besetzt wird), das Parlamentsgebäude selbst, oder wiederum die Hofburg. Schauplätze der Judenverfolgung der 1930er und 1940er Jahre im zweiten Wiener Stadtbezirk kommen hinzu. Eine letzte Protagonistin erscheint, um böse Geister entlang des Donauverlaufs aus der Stadt zu jagen und mit dem Wasser in die Ferne zu verschicken. Manche der Rituale wurden von den Teilnehmerinnen selbst erfunden, andere ergeben sich aus Anweisungen der Künstlerin, wobei sie sich auf eine Reihe kultureller Quellen beziehen, darunter indigene Völker, die Traditionen des Balkans und der Roma, Voodoo und andere. Der Künstlerin fielen bei ihren Recherchen (u.a. ein längerer Aufenthalt am Banff Centre in Kanada) eine Reihe transkultureller Gemeinsamkeiten zwischen einigen dieser Rituale auf.
Die bei den Ritualen benutzten Gegenstände werden auch als Fotoserie am Eingang des Kabinetts gezeigt. Dort werden sie wie anthropologische Untersuchungsproben ausgestellt, wobei ihre Präsentation suggeriert, dass solche „Werkzeuge des Wandels“ stets zur Verfügung stehen. Es liegt in unserer Verantwortung, sie zu finden oder sogar herzustellen – behauptet die Künstlerin. Dieser Film stellt ferner einen schroffen Gegensatz zu den Performances und gewaltsamen Ritualen zum Beispiel der Wiener Aktionisten dar, deren Werke nach wie vor einen Schatten auf Österreich werfen. Stattdessen suggeriert dieser Film über „magischen Widerstand“, dass eine künstlerische Bewegung, die ritualistisch, aber auch unmittelbar politisch ist, und die auf Formen der politischen Katastrophe und des politischen Traumas reagiert – was das Ziel der Aktionisten war – nicht durch die Sublimierung der Gewalt oder durch Desublimation geschaffen wird. Dass Gewalt, die eher mit diversen Problematiken der Männlichkeit assoziierbar ist, zwar in einem prätentiösen Gewand aus Kritik und Aktivismus daherkommen mag, aber lediglich das Zucken eines müden, alten Phallus ist. Die gewaltsamen Rituale der Wiener Aktionisten versagten, und dieses Oeuvre ist ein Erbe des Versagens, nicht trotz, sondern auch aufgrund seiner Kanonisierung und Kommerzialisierung in Museumsarchiven und Galerienetzwerken. Obwohl die Künstlerin dies nicht intendiert hat, widerspricht And the sky clears up (MAGIC RESISTANCE)diesen fehlgeleiteten Aktivitäten der Wiener Aktionisten und dem Pasticcio an Werken, die mit ihnen assoziiert werden, um stattdessen eine weiblich geführte kollektive Widerstandsbewegung auszurufen, die nicht nur gewaltfrei, sondern inklusiv ist. Dies entspricht unserer heutigen Zeit vielmehr und verweist vielleicht auf das Kommende.